[#effzeh] 7 Minuten des Wahnsinns

Oh Wunder: Ein Wunder. Und der glorreiche #effzeh mittendrin statt nur dabei. Innerhalb von sieben verrückten Schlussminuten machen unsere rot-weißen Götter in Regensburg aus einem 0:2-Rückstand einen 3:2-Erfolg. Grund genug, unsere Sicht der Dinge auf dieses epochale Comeback zu schildern. Unsere Sicht aus Köln, Eutin, Berlin & vor Ort in der Oberpfalz. Ein etwas anderer Spielbericht.

Köln (@golradir)

85. Minute – Alle Hoffnungen wurden fahren gelassen. Im Hinterkopf spukt schon wieder das Horrorszenario des Abstiegs in die 3. Liga. Der Wirt der Kneipe hat sich ein Haie-Trikot über das FC T-Shirt gezogen. Ich erachte das als persönlichen Affront: Köln ist und bleibt schließlich eine Fußballstadt. Das Spiel ist abgehakt, die Planungen für die kommenden Spiele sind nahezu abgeschlossen. Ich werde mein Kölsch austrinken, den Schlusspfiff abwarten und nach Hause gehen.

87. Minute – Tor durch Ujah. Keine Reaktion meinerseits. Um mich herum springt alles auf und freut sich. Ich bemitleide meine naiven Mitgucker ein wenig. Sie werden nur enttäuscht sein durch die gerade in ihnen aufkeimende Hoffnung. Ein Ehrentreffer bleibt leider ein Ehrentreffer. Ich freue mich, dass die Torbilanz wenigstens etwas besser ausfällt. So etwas kann im Abstiegskampf entscheidend sein.

90. Minute – Jetzt springe ich auch auf. Das Undenkbare ist geschehen. Endlich ist die Ungerechtigkeit einmal auf unserer Seite. Der glorreiche 1. FC Köln schafft es, mich endlich einmal positiv zu überraschen. Immerhin einen Punkt können wir aus Regensburg mitnehmen. Menschen umarmen mich.

91. Minute – Regensburg wechselt. Um wenigstens einen Punkt mitzunehmen, wie der Kommentator sagt. Und keiner in der Kneipe findet diese Formulierung merkwürdig. Auch ich kann nichtmal drüber schmunzeln. Etwas liegt in der Luft.

93. Minute – Vollkommene Ekstase. Irgendwo im Raum muss jemand einen Aschenbecher vom Tisch gefegt haben, denn in der Luft schwirren lauter, winzige Aschepartikel. Bigalke zieht aus der zweiten Reihe ab und als er den Ball trifft, ist jedem klar, dass er reingehen wird. Ich habe die Arme erhoben, die Hände zu Fäusten geballt und brülle. Ich umarme Menschen.

Spielende – Es wird Kölsch nachbestellt, #effzeh-Lieder gespielt, der Wirt hat das Haie-Trikot wieder ausgezogen. Ich fühle mich grundentspannt. SMS von #effzeh-Fans, die nach dem 0:2 das Stadion verlassen haben, werden vorgelesen. Gedanken an die dritte Liga wirken so fern wie der Rückstand, der 10 Minuten früher noch bittere Realität war. Stattdessen ist der FC seit vier Spielen ungeschlagen, hat 13 Punkte geholt. Das Leben ist schön.

Eutin (@bucksen)

Wir schreiben die 86. Spielminute. Die rot/weißen Fußballgötter aus der Domstadt haben es mal wieder geschafft, meine Laune ist auf dem Tiefpunkt angelangt. Der #effzeh liegt mit 2:0 (1:0) beim SSV Jahn Regensburg zurück. Eine unterirrdische Leistung lässt eine für mich noch immer schwerwiegende Entscheidung zu, ich schalte den Fernseher aus.

Die Chronologie eines großen Mißverständnisses.

Doch was war passiert? Nach einer langen Nacht klingelte mich mein Wecker um 12:30 Uhr aus den Federn.

Kaffee, belegte Brötchen. Wenn die DFL es halt nicht hinbekommt mal vernünftige Anstoßzeiten einzurichten. So müssen sich die Amis fühlen, wenn sie am frühen Morgen Bundesliga im TV schauen.

Also ab aufs Bett und möglich wenig bewegen. Komm #effzeh, begeister mich.

Und es sind keine 5 Minuten gespielt, dann das 1:0 für den Jahn durch einen vorgezogenen Sonntagsschuss von Jim-Patrick Müller. Kurze Frage: Warum spielt einer, mit solch einem Vornamen nicht in Köln?

Das 2:0 durch Christian Rahn.

Das Spiel plätscherte so vor sich hin, es war nicht mehr lange zu spielen. In der 86. Minute dann eine folgenschwere Entscheidung meinerseits.

So starrte ich nun verloren auf meinen Laptop, im Gedanken wieder einmal mit der Frage nach dem “WARUM?”. Immer wieder kam die Frage auf, wie man nur gegen Jahn Regensburg verlieren könne. Doch plötzlich erwachte meine Timeline. Ujah traf zum 2:1 Anschlusstreffer. Auch das war für mich kein Grund wieder einzuschalten, so waren ja nur noch 2-3 Minuten zu spielen “Was soll da bitte noch passieren?

Der Ausgleich von Maroh…

Der Siegtreffer von Bigalke…

Fazit des Spiels

Berlin (@joewagnae)

Samstag, 14:43 Uhr auf einem (sehr) großen Berliner Spielplatz. Die Sonne strahlt und der Kleene unserer Gastgeber hat mächtig Spaß auf den handgezählten 27 Rutschen. Meine Laune allerdings befindet sich im tiefsten Kellerloch, der effzeh liegt bereits seit 13:05 Uhr in Regensburg zurück. Vom 0:2 hatte ich noch kurz nach Verlassen der Ausstellung „Unter Spielern – Die Nationalmannschaft” im Martin-Gropius-Bau über Twitter erfahren.

Noch ein verzweifelter Blick auf die Uhr und mir dämmert, dass ich mich besser mit der Niederlage abfinden sollte. Und jetzt kriege ich auch noch Smartphone-Verbot durch die anwesenden Ehefrauen! Trotzdem: Niemals würde ich ein Stadion vor Abpfiff verlassen, Radio, TV oder Ticker ausmachen, bevor es endgültig ist. Deshalb eine schnelle SMS mit Tickerauftrag an den Bruder, das würde über ein ordinäres Handy schließlich auch funktionieren.

Keine Minute später verrät mein leises „oh“ meine Verbotsumgehung, schulterzuckend stammele ich „2:1“. Während meine Frau die Augen verdreht, sieht mich mein Kompagnon mitfühlend an. „Es war ne SMS, ich kann nix dafür“, sage ich entrüstet und switche zum Twitterfeed. Während @Bucksen mehrfach absolutes TV-Verbot erhält, ploppt mir die nächste SMS ins Bild: „2:2!!!“ steht da nur. Alle Umstehenden drehen sich zu mir um, als hätten sie noch nie jemanden laut „JAAAAAA!“ rufen gehört, mindestens genauso verwundert gucke ich zurück. „2:2“, grinse ich. Nachdem mich die Umstände (Ecke) und Torschütze (Maroh) erreicht haben, schicke ich um 14:49 Uhr zögerlich eine SMS, „Schluss?“.

Die Antwort lässt mich hüpfen und ungläubig „dreizweidreizweidreizweidreizwei!“ rufen. Tänzelnd twittere ich: „Hahajajajaja. Man lacht mich aus. Mitten in Berlin. #effzeh.” Dann ist der Akku leer.

Regensburg (@koelnsued)

Manchmal ist es eine Crux, #effzeh-Fan zu sein. Da erträgt man herbe Niederlagen in Hannover, München, auf Schalke oder gar einst in Koblenz oder Paderborn wie ein Mann, ohne auch nur auf den Gedanken zu kommen, vor Abpfiff das Stadion zu verlassen. Und dann ist man es einmal leid, diese Schmach auf einem für das Real Madrid des Westens gefühlt unwürdigen Dorfsportplatz bis zum Schluss zu verfolgen – und es geschieht ein Fußball-Wunder der Güteklasse A.

Doch was war geschehen? Der #effzeh hatte wieder einmal Grütze hoch zehn abgeliefert, lag früh durch einen Sonntagsschuss eines dieser Spieler zurück, die nur gegen uns treffen und danach in der Versenkung verschwinden. Beim Verfasser dieser Zeilen waren die Lichter schon lange an beziehungsweise aus – eine durchzechte Nacht inklusive Biergartenbesuch direkt vor dem Regensburger Stadion hinterließen einen formschwachen Anhänger eines an diesem Tag noch formschwächeren Teams. Aber was tut man nicht alles für seine große Liebe?

Um die Demütigung des glorreichen und einst großen Ersten Fußballclubs von und zu Köln perfekt zu machen, durfte der Ex-Kölner Christian Rahn per Elfmeter auf 2:0 erhöhen. Je höher der Pegel, desto niedriger meine Frustrationstoleranz: Angesichts der nahenden Blamage verzog sich unsere Reisegruppe erneut in den stadionnahen Biergarten, um dank der wiederholten Zufuhr geistiger Getränke zu vergessen, was ich eh nicht behalten hätte. Der geplante Weg in die Altstadt wurde schnell vorgezogen – und so befand ich mich in unserem 9er-Bus, als der Wahnsinn Form annahm. Das 1:2 wurde noch beiläufig zur Kenntnis genommen, die Gerüchte um das 2:2 dagegen schon mit einiger Hektik begleitet.

Schnell das Radio angeschaltet, um die letzten Sekunden des Spiels im Radio verfolgen zu können und nachzuhören, ob der #effzeh es tatsächlich geschafft haben sollte, ein totes Spiel noch zu egalisieren. Ich höre noch, wie der Kommentator sagt, Bigalke schießt – und der Rest ist Geschichte. Das #effzeh-Wunder. Und wir anstatt im Stadion irgendwo in der Innenstadt in Regensburg. Ausrastend, aus dem Neuner fallend, kopfschüttelnd, lachend. Kann man ‘mal machen!

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3 Antworten auf [#effzeh] 7 Minuten des Wahnsinns

  1. Lizas Welt sagt:

    Was für ein grandioses Stück! Für mich ohne Zweifel einer der besten Fußballtexte des Jahres. Großen Dank dafür!

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