[#effzeh] „Zeigt das verdammte Spiel!“

Live ist immer noch im Stadion – was für manche Fans, die den #effzeh auf Sky verfolgen, wie gelebte Arroganz des Viel- bis Allesfahrers wirkt, erlebte @koelnsued am Freitag Abend am eigenen Leib. Denn: Die Partie gegen Kaiserslautern stand nicht immer im Zentrum der Übertragung.

„Warum gehst du überhaupt ins Stadion?“ – eine Frage wie Donnerhall für das Selbstverständnis eines aktiven Fans, der in der näheren Vergangenheit versucht hat, jedes Spiel des 1.FC Köln im Stadion zu sehen und im sagenumwobenen 34er-Klub verewigt ist. Doch nach meinem vorzeitigen Abschied aus dem Regensburger Gästeblock erschien selbst mir die Frage legitim. Sollte – abgesehen vom Support der eigenen Mannschaft – der Konsum des Spiels auf der Mattscheibe dem Besuch des Stadions vorgezogen werden?

Fußball im Fernsehen – ein Rundum-Sorglos-Paket?

Ganz unrecht hat der Fragesteller nicht. Man könne doch auf Sky dank Zeitlupe sofort nachprüfen, ob es Abseits, Foul oder aber nur der ewig gleiche Fehler des untalentierten Außenverteidigers XYZ war und der Kommentator sage einem, wieviel Ballbesitz der #effzeh habe und wann wir zum letzten Mal gegen Gegner ABC zuhause nach Rückstand gewonnen haben. Sogar die Stadionatmosphäre kriege der geneigte Zuschauer über die Außenmikrophone ins Wohnzimmer transportiert. Das Rundum-Sorglos-Paket – nichts verpasse der Fernsehzuschauer.

Ich spürte die argumentativen Einschläge der Sofakartoffel näher kommen. Wem es wirklich um das Spiel ginge, der schaut sich die Partie im Fernsehen an. Punktausende. Natürlich: Es ist doch eine schöne Erfindung, sich Fußball live im Fernsehen anschauen zu können. Wenn einem angesichts diverser zeitlicher Verpflichtungen oder aber der bestehenden Entfernung zum Spielort unserer rot-weißen Götter der Stadionbesuch verwehrt bleibt, kann man sich auf das oft verfluchte PayTV verlassen.

90 Minuten #effzeh pur – was will das Fußball-Herz mehr? Genau das will ich auch, wenn ich mit einem Bierchen vor der Glotze hänge. Leider, und das nimmt in der letzten Zeit bei Spielen im Fernsehen dramatisch zu, hat auf diesem Erlebnis eine ganz spezielle Macht den Daumen drauf. Von wem ich rede, wollt ihr wissen? Nicht von den fiesen Hooltras, die das Spielfeld zum Bürgerkriegsschauplatz machen. Nicht von den von Thurn und Taxen dieser Welt mit ihren salbadernden Phrasenkatalogen. Nein, ich rede von den Regisseuren der Fernsehanstalten, die das Spiel aus dem Fokus rücken und Nebensächlichkeiten in den Vordergrund stellen, um vermeintlichen Emotionen zu transportieren.

Emotionen statt Inhalt

Beispiel gefällig? In der 66. Minute prüfte unser Sturmtwitterer Anthony Ujah Lauterns Schlussmann Tobias Sippel per Drehschuss aus der Distanz. Der Ball verblieb zunächst im Spiel – wohin genau er ging und ob ein Kölner nachsetzte, konnte vom Fernsehpublikum nicht geklärt werden – denn der Regisseur schnitt um auf den enttäuschten Gesichtsausdruck des #effzeh-Torjägers, dessen gute Chance zunichte gemacht wurde. Emotionen statt Inhalt. Mit einem schallenden „Zeigt das verdammte Spiel“ (inklusive wütendem Faustschlag auf den Tisch) ging man wieder in die Totale. Der Ball war im Aus – es sollte anscheinend Eckball für den 1.FC Köln geben.

Liebe Regisseure, es ist mir egal, was ihr zeigt, wenn der Ball nicht im Spiel ist. Zeitlupe, Slowmotion, Super-Slowmotion, Supersupidupiaffengeilspektogal-Zeitlupe, Gesichter auf und neben dem Platz, Kamerafahrten über das Stadion hinweg, meinetwegen auch Jubelbilder von der Theke der „Alten Post“ – drieß dä Hungk drop, wie man in Köln so schön sagt. Wenn die Kugel rollt, egal ob vermeintlich ungefährlich im Niemandsland beim Abschlag des Schlussmanns oder im zweikampfumtosten Gewusel im Strafraum, bleibt der Fokus auf dem Spiel, verstanden? Dann will ich keine siebte Zeitlupe des Torschusses sehen, keine Nahaufnahme des Schützen beim Ausholen, keine verzweifelten Fangesichter – ich will wissen, wo der Ball ist, wie er verloren oder erkämpft wurde, wer sich wo in den Räumen bewegt und ob ich mich über irgendwen aufregen muss, der Teil des Spiels ist. Und nicht über die Bildregie.

Ich bin mein eigener Regisseur

Das ist einer der wichtigsten Gründe, weshalb ich ins Stadion gehe. Nicht nur wegen der Stadionatmosphäre, wegen der Gänsehaut, wenn die Hymne beim Einlauf meiner rot-weißen Götter erklingt. Nicht nur wegen der Vielzahl (und Vielfalt) an Menschen, die ich im Müngersdorfer Stadion kenne und kennengelernt habe. Sondern auch, weil ich mein eigener Regisseur bin. Ich bestimme, wohin ich schaue, ob ein #effzeh-Spieler den Abpraller noch erreichen kann oder ob der Ball ins Aus trudelt. Ich sehe schemenhaft taktische Grundzüge des Spiels – und kann mir auch visuell meine eigene, von der Bildregie unbeeinflusste Meinung bilden.

Da verzichte ich liebend gerne auf die dritte Zeitlupe der Situation im Strafraum. Kann ich mir wenigstens die Köppe mit meinen Sitznachbarn heiß diskutieren. Zur Not frage ich halt per SMS jemanden, der vor der Glotze sitzt. Wenn er’s schon nicht live sehen kann, dann wenigstens per Supersupidupiaffengeilspektogal-Zeitlupe.

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3 Antworten auf [#effzeh] „Zeigt das verdammte Spiel!“

  1. hellojed sagt:

    Es geht sogar noch schlimmer: Bei Liga total kapierte der Kommentator lange nicht, dass es Elfmeter gab, sondern vermutete eine Schwalbe Ujahs, sogar noch als der Schiedsrichter Sippel schon verwarnte. Just als diese gelbe Karte aus der Tasche kam, folgte der Schnitt zu einer ersten Zeitlupe, erst nach dieser merkte der Kommentator, dass es Elfmeter gab – als Chihi schon am Punkt stand. Als wäre er gar nicht vor Ort gewesen sondern säße in irgendeinem Studio vor den selben Fernsehbildern wie wir.

  2. Christian sagt:

    Sehe das ähnlich wie du. Manchmal macht die Regie bei Fußballspielen komische Ausflüge in Pseudo-Kreativität. Solang die Situation nicht geklärt ist, egal wie, muss die Kamera und das Bild auf der laufenden Aktion bleiben. Nahaufnahmen des ballführenden Spielers können da von mir aus auch noch rein. Ich setzte mich aber vor den TV um das Spiel zu sehen und nicht Emotionen. Für letztere gehe ich ins Stadion!

  3. diva sagt:

    ich würde sogar noch weitergehen: fernsehen erzieht den zuschauerInnen das spielverständnis systematisch ab. so wird in der übertragung sehr oft auf einzelaktionen/-spieler fokussiert, die dann auch noch 20 x wiederholt werden, während es kaum totalen gibt, die eine vernünftige einschätzung des taktischen verhaltens einer mannschaft oder des potentiellen erfolgs eines spielzugs geben könnten. die fernsehfans werden so darauf konditioniert, spektakuläre einzelaktionen und/oder technische kabinettstückchen möglichst am laufenden band zu erwarten – eine vorprägung, die sich meiner meinung nach zunehmend auch beim stadionpublikum äußert, das kein gefühl mehr für fußball als mannschaftssport hat.

    das ganze wird zudem von reportern begleitet, die in keiner weise in der lage sind, ein spiel fachkundig zu begleiten, geschweigen denn taktisch zu analysieren – stattdessen aber wissen, in welchem laden die großmutter von spieler XY mal gearbeitet hat.

    alles zusammen ist meines erachtens einer der schlimmsten bausteine der eventisierung des fußballs. kann mich der aussage “live ist im stadion” also nur unumschränkt anschließen, auch wenn die stadien, in denen der FC spielt, leider zurzeit zu weit entfernt für regelmäßige besuche sind.

    PS: AUSWÄRTSSIEG!

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