Wenn mir Kölsche in Madrid Hopping maache

Wer eine Reise macht, der kann etwas erzählen: @zumselkoeln zog es in der Winterpause zur standesgemäßen #effzeh-Europapokal-Gegnerbeobachtung in südliche Gefilde. Drei Spiele sah er in Madrid, von der Primera Division bis herunter in die Segunda Division B. Uns hat er daher aus der spanischen Kapitale einen Groundhopping-Bericht mitgebracht.

“Hölle ist nur ein anderes Wort für Winterpause” titelte die Sportschau vor einigen Jahren plakativ. Mit Neid blicken viele Fußballfans, so auch ich, auf die Länder, in denen auch im Winter der Ball rollt: Spanien, Portugal, Italien, England, Schottland, Malta, Israel, Griechenland.

Hier rollt im Winter der Ball. Auch in Deutschland war dies am 19. Januar wieder der Fall, aber leider nur in der 1. Bundesliga, die diese Saison bekanntermaßen ohne den großartigen #effzeh stattfindet. Dass dies keine Alternative ist, vergleichbar etwa mit Twitter ohne Retweets, steht für mich außer Frage. Es bot sich an, den Fußball in anderen Ländern unter die Lupe zu nehmen. Nach Abgleich von Spielplänen und günstigen Flugpreisen war es klar, dass es nach Madrid gehen würde. Immerhin war es möglich, an einem Wochenende zwei Spiele der Primera Division zu besuchen. Samstags sollte es mit Getafe C.F. – FC Sevilla losgehen und am Sonntag wartete das Estadio Vicente Calderon mit dem Spiel von Atletico Madrid gegen UD Levante auf uns.

Stierkampfarena Las Ventas

Stierkampfarena Las Ventas

Der Tag der Abreise war gekommen und früh morgens ging es durch das verschneite Rheinland zum Flughafen DUS International, wo die Lufthansa uns ins knapp 1450 km Madrid bringen sollte. Uns sind – mein Kollege, der “Schiedsrichter”, und meine Wenigkeit. Die Bombardier CRJ 900 war nur mit knapp 20 Passagieren gefüllt, bot uns also genug Platz zum entspannten Sitzen. Mit der Madrider Metro ging es inklusive mehrmaligem Umsteigen zum Hotel in der Nähe der Stierkampfarena Las Ventas. Die Stierkampfarena bietet knapp 24.000 Manschen Platz und lädt neben dem sicherlich umstrittenen Stierkämpfen auch zu Konzerten und MotoCross-Veranstaltungen ein. Am späten Nachmittag fuhren wir erneut mit der Metro, diesmal nach Getafe, einer kleinen Stadt südlich von Madrid. Getafe ist vor allem für seinen Fußballverein bekannt, den Getafe C.F, der seit 2004 in der Primera Division spielt. Highlight war sicherlich das Erreichen des Viertelfinales des UEFA-Cups in der Saison 2007/2008, wo man sich schlussendlich dem FC Bayern geschlagen geben musste.

Gegründet wurde der Verein erst 1983 als Nachfolgeverein eines Fanclubs des großen Nachbarn Real Madrid. 2011 wurde der Verein an die “Royal Emirates Group of Companies” verkauft, die nun das Ziel hat, aus dem Getafe C.F. eine Macht im spanischen und europäischen Fußball zu machen. Seitdem sollte der Getafe C.F. als Getafe Team Dubai auflaufen. Jedoch fallen nicht nur #effzeh-Präsidenten auf dubiose Geschäftsleute rein. Wie sich einst Zypern für Wolfgang Overath als Haus im Grünen in Mönchengladbach herausstellte, so stellte sich für Getafe der vermeintliche Scheich als brasilianischer Kellner aus Barcelona heraus. Die großen Pläne mussten auf Eis gelegt werden.

Colliseum Alfonso Perez - Heimat des C.F. Getafe

Colliseum Alfonso Perez – Heimat des C.F. Getafe

Spielort der Partie gegen den FC Sevilla war das Collisieum Alfonso Perez, ein wie in Spanien üblich, Allseater mit 17.000 Plätzen die auf die vier Tribünen verteilt sind, wobei nur die Haupttribüne ein Dach hat. Im sonnenverwöhnten Spanien auch kein Problem, nur meinte es Petrus heute nicht gut. Es goss wie aus Eimern und der Wind tat sein Übriges. Es war kein Tag, um mit den Spielern zu tauschen. So zogen wir es auch vor, vor dem Spiel dem lokalen Irish Pub am Stadion einen Besuch abzustatten. Die fehlenden Englischkenntnisse des Personals konnten unserseits mit wenigen, aber wichtigen spanischen Vokabeln wettgemacht werden: “Dos cervezas por favor.” Im Fernsehen folgten wir noch der ersten Saisonniederlage des FC Barcelona, ehe es unter das Dach des Stadions ging.

Gegner Getafes war der FC Sevilla, die 2006 und 2007 den UEFA Cup nach Südspanien holten, jetzt aber wie der Gastgeber im Mittelfeld der Tabelle rumdümpeln. Mit von der Partie auf Seiten der rot-weißen Südspanier war der aus der Bundesliga bekannte Ivan Rakitic. Das Spiel selber verdient hier keine große Beachtung, ist es doch mit Grottenkick bereits gut beschrieben. Einzig alleine der Treffer zum 1:1-Endstand muss erwähnt werden. Getafes Adrian Colunga zirkelte den Ball mit einem Freistoß aus dem linken Halbfeld in den Strafraum und der Ball senkte sich hinter dem viel zu weit im Feld stehenden Torwart der Gäste ins Tor. Klassischer Torwartfehler.

Fanmäßig war das Spiel wie erwartet eine Katastrophe. Zwar lag die Zuschauerzahl mit 7000 Anwesenden deutlich über den Erwartungen der Offiziellen, aber beide Fangruppierungen waren kaum wahrzunehmen. Getafe wird von vielen Zuschauern immernoch als Zweitverein neben Real gesehen. Zudem sind die Eintrittspreise wie im restlichen Spanien recht hoch. “Auswärtsfahren” hat in Spanien nicht den Stellenwert wie in Deutschland oder anderen Ländern. Gerade einmal 100 Gästefans gesellten sich in eine Ecke des Stadions. “Geschlossener “ und “durchgehender”, um es im Stile eines Ultrafanzines zu beschreiben, Support war es aber nicht. Vielmehr wurden nur ganz selten und vereinzelnd Anfeuerungsrufe in Richtung Spielfeld gerufen.

Getafe C.F. vs FC Sevilla

Getafe C.F. vs FC Sevilla

Auf Seite der Gastgeber gab es eine kleine Ultragruppe hinter dem Tor, die abgegrenzt durch Fahnen und Banner auch durchgehend versuchten zu singen oder Fahnen zu schwenken. Laut oder auch nur wahrnehmbar war es nicht. Der Rest der Zuschauer machte den meisten Krach mit dem Öffnen der Sonnenblumenkerne, die anscheinend jeder Stadionbesucher mit sich führte. Einzig alleine bei vermeintlichen Fehlentscheidungen der Offiziellen wurde es laut und meinen marginalen Spanischkenntnissen zur Folge auch leicht vulgär, ganz dem Volkssport Fußball entsprechend. Nach dem Spiel musste noch “der Schiedsrichter” seinem Kollegen, Schiedsrichterbeobachter und ehemaligen Spitzenschiedsrichter Manuel Enrique Mejuto Gonzales kurz “Guten Abend” sagen, ehe es mit der Metro wieder ins Madrider Zentrum und über den Umweg Restaurant ins Bett ging.

Am nächsten Morgen wurde erst mal das reichhaltige Frühstücksbuffet getestet und für gut befunden. Nur Ei, Speck und Würstchen fielen glatt durch, aber deswegen fährt man ja nicht nach Spanien, sondern nach England. Des Frühstücks wegen, erst zweitrangig wegen des Fußballs. Ein weiterer Grund für England ist die Tube in der Hauptstadt. Nur gut, dass die Madrider Metro sich offenbar ihr Londoner Pendant zum Vorbild genommen hat. Kilometerlange Rolltreppen und Gänge, um an die frische Luft oder einen anderen Bahnsteig zu gelangen. Dazu viel zu kleine Züge mit Kopfstoßgefahr und ein Lienenplan für Fortgeschrittene. Einzig allein “Please mind the gap” wird übersetzt nur angesagt, wenn sich die Station in einer Kurve befindet.

Stadion Leganes

Stadion Leganes

Mit eben dieser Madrider Metro fuhren wir erneut gen Süden, in die Stadt Leganes. Der dortige Verein CD Leganes spielt in der viergleisigen spanischen dritten Liga. Der Segunda Division B, Grupo I. Heutiger Gegner war die dritte Mannschaft von Real Madrid. Nach einem zwanzigminütigen Spaziergang durch die Ortschaft, wo man wunderbar den ehemaligen spanischen Bauboom bewundern konnte, erreichten wir das “Estadio Municipal de Butarque” mit seinen 8000 Sitzplätzen. Das Stadion ist umrahmt von einer Bezirkssportanlage auf der einen und Autobahnen, einer Mall und einem Friedhof auf der anderen Seite.

Mit uns verfolgten rund 1000 weitere Zuschauer das Spiel, verteilt auf drei der vier Tribünenseiten. Der Großteil auf beiden Geraden. Die Kurve der Heimfans bestand aus drei verschiedenen Gruppen, welche alle drei weit voneinander entfernt standen bzw. saßen und unabhängig voneinander versuchen die Mannschaft durch Anfeuerungsrufe oder Fahnenschwenken zu beflügeln. Dazu gesellten sich noch jeweils eine Gruppe auf der Haupt- und eine auf der Gegentribüne.

Ultras Leganes

Ultras Leganes

Die erste Halbzeit plätscherte vor sich hin, ohne dass sich eine Mannschaft richtige Torchancen herausspielen konnte. In der Halbzeitpause unterhielten keine Ralf Dükers die Zuschauer, sondern zwei Jugendmannschaften des Vereines, die ein zehnminütiges Match gegeneinander veranstalteten. Es wäre schön, so was auch mal in Deutschland bestaunen zu können, nicht zwingend in der ersten Bundesliga, aber selbst auf unterklassigen Sportplätzen und Stadien regieren die Dükers. In der zweiten Hälfte spielten beide Teams zielstrebiger nach vorne und den ersten ordentlichen Spielzug konnte Leganes, zehn Minuten nach Wiederanpfiff, im Tor unterbringen. Auch das zweite Tor des Tages erzielten die Vorstädter. Diesmal wurde der Ball weit nach vorne gespielt und der Stoßstürmer stolperte den Ball ins Tor.

Das schönste Tor des Tages erzielten hingegen aber die Königlichen. Aus 25 Metern wurde Ball über den zu weit vor dem Tor stehenden Keeper ins Tor geschlenzt. In der Schlussphase versuchten beide Mannschaften noch ein weiteres Tor zu erzielen, scheiterten jedoch immer am Torwart oder ihrer Unfähigkeit. Auch der kurz vor Schluss eingewechselte Publikumsliebling “Robert” bewirkte nichts mehr. Der Sieg bedeutet für Leganes, dass man sich oben festsetzen kann und eventuell sogar vom Aufstieg träumen darf, während Real Madrid C sich im Mittelfeld der Tabelle festsetzt. Im Youtube-Kanal des Heimvereines kann sich die Höhepunkte der Partie angucken.

Da wir nach Abpfiff noch genügend Zeit hatten, bis das Topspiel der Tour angepfiffen werden sollten, machten wir nach Halt auf der Bezirkssportanlage und schauten uns bei 10 Grad und herrlichem Sonnenschein ein bisschen um.  Aber wir sahen genau das, was wir auch von deutschen Sportplätzen kennen: Pöbeleien und Drohungen gegen den Schiedsrichter, bierbäuchige, glatzköpfige Männer, die versuchten einen geraden Pass zu spielen und Trainer, die selbst während des Spiels pausenlos an ihrer Zigarette ziehen. Nach einem weiteren kleinen Stadtspaziergang ging es wieder Richtung Metro und dann zurück Richtung Zentrum.

Außenansicht des Vicente Calderon

Außenansicht des Vicente Calderon

Das Estadio Vicente Calderon, Heimspieltort von Atletico Madrid liegt am Rio Manzanares, der in den letzten Jahren durch ein aufwändiges Uferrenovierungsprogramm aufgewertet wurde und den Madridern statt als Autobahnbegrenzung wieder als Naherholungsgebiet dient. Zu Atletico möchte ich nicht viel schreiben, vielmehr verweise ich auf den Artikel der Kollegin @Mirai_Torres. Gegner Atleticos war die letztjährige Überraschungsmannschaft aus Levante, die sich mit einem sechsten Platz für die EuroLeague qualifizierten und dieses Jahr hinter Hannover 96 den zweiten Platz in der Gruppenphase belegte. Rechtsverteidiger bei Levante ist ein ehemaliger Bekannter. Christian Lell schnürt seit diesem Jahr die Schuhe für die Mannschaft aus Valencia. Ebenfalls bekannt aus der Bundesliga ist der Stürmer Obafemi Martins.

Das Vicente Calderon hat nur eine überdachte Tribüne, auf der sich auch die Presseplätze befinden, auf denen wir uns bei Regen und starken Wind niederließen konnten. Kurz vor Spielbeginn waren auch viele der restlichen Plätze im Stadion gefüllt. Die offizielle Zuschauerzahl spricht von 45.000 Besuchern. Atletico und die Stadt Madrid planen den Umzug des Vereins in das, dann auszubauende, Estadio Olímpico de Madrid im Osten der Stadt. Das alt ehrwürdige Vicente Calderon würde dann abgerissen werden und das Gelände Teil des Uferparks. Auf dem schon abgerissenen Gelände der benachbarten Mahou-Brauerei würden ebenso wie auf dem Stadiongebiet auch Wohnhäuser entstehen. Wann dies jedoch der Fall sein wird, bleibt abzuwarten.

Atletico Madrid gegen UD Levante im Vicente Calderon

Atletico Madrid gegen UD Levante im Vicente Calderon

Die Ultras von Atletico, die Frente Atletico, sind im Unterrang der Südkurve beheimatet. Ihr Support konnte sich durchaus hören lassen. Durchgehend und laut wurde gesungen. Wie fast allen anderen Ultras in Spanien haben auch die Frente Atletico ein Problem mit Rechtsextremismus. Der Hitlergruß und „Sieg Heil“ Gegröle sind leider durchaus an der Tagesordnung. In der Stadt gibt es auch viele Aufkleber mit rechtextremen Bezug, sowohl von Atletico als auch Reals Ultras. Unter vielen Atletico-Fans ist der aktuelle Präsident und der Hauptaktionär des Clubs sehr umstritten. Eine Ausnahme stellen da die Frente da, vielmehr werden von ihnen kritische Aktionen unterbunden. Kritiker werfen ihnen vor, deswegen einen vermeintlichen Freifahrtsschein des Präsidiums zu bekommen. Auch ca. 200 Fans von Levante haben den Weg ins Stadion gefunden.

Aktueller Superstar Madrids dürfte Falcao sein, der vor einem Jahr für 40 Millionen Euro aus Porto geholt wurde und es dieses Jahr fertig brachte, 5 Tore in einem Spiel zu erzielen. Dieses Spiel blieb er jedoch blass und musste am Anfang der zweiten Hälfte auch verletzungsbedingt auswechselt werden. Im Gegensatz zum gestrigen Spiel von Getafe gegen Sevilla wurde den Zuschauern heute taktisch und technisch wesentlich besserer Fußball geboten, wenn auch nur von Atletico, die das Spiel fast nach Belieben dominierten, es aber nicht in Tore ummünzen konnten. So dauerte es knapp eine halbe Stunde, ehe Adrian Lopez den Ball nach schöner Vorarbeit aus spitzen Winkel einschieben konnte. Das zweite Tor des Tages fiel erst in der zweiten Halbzeit. Koke schoss den Ball, ganz im Stile eines Lukas Podolski oder Christian Clemens, von der linken Strafraumgrenze mit einem Schlenzer in den Winkel. Die Freude im Stadion war verständlicherweise groß. Danach passierte aber nichts mehr. Atletico konzentrierte sich auf die Defensive und ließ nichts mehr anbrennen.

Atleticos Trainer Diego Simeone bei der anschließenden Pressekonferenz

Atleticos Trainer Diego Simeone bei der anschließenden Pressekonferenz

Nach Spielschluss machten wir uns auf zur Pressekonferenz. Auch wenn wir nichts verstanden haben, waren wir doch froh, uns kurz aufwärmen zu können. War es in der Sonne richtig warm und angenehm, so war es abends doch um so kälter. Während der Pressekonferenz kam mir kurz der Gedanke, doch aufzustehen und einen der Trainer zufragen, ob denn das Gerücht mit irgendeinem #effzeh-Spieler zutreffe. Auf die Reaktion der Kölner Presse wäre ich doch gespannt gewesen.

Am nächsten Tag stand unser Rückflug ins Rheinland an. Da der Flug aber erst abends abhob, hatten wir noch den Tag über Zeit, uns Madrid touristisch zu nähern. So statteten wir dem Königspalast, der Almudena-Kathedrale, dem Plaza de Espana und schlussendlich auch dem Estadio Santiago Bernabeu einen Besuch ab. Da die Königlichen jedoch 19 Euro für eine Führung im Stadion haben wollten, lehnten wir dankend ab und warten auf den Tag, an dem wir bei einem Spiel des 1. FC Köln das Stadion betreten können.

Estadio Santiago Bernabeu - bald vom 1.FC Köln gestürmt?

Estadio Santiago Bernabeu – bald vom 1.FC Köln gestürmt?

Nach zweistündigem Rückflug hatte uns auch das mittlerweile zugeschneite Rheinland wieder. Was bleibt, sind schöne Erinnerungen an die Tour, an Spanien, an Madrid und wieder ein etwas anderer Blick auf den Fußball.

Gesehene Spiele:
19.01.2013, 20:00 Uhr: Getafe C.F. – FC Sevilla 1-1 / 7000 Zuschauer / Colliseum Alfonso Perez

20.01.2013, 12:00 Uhr: CD Leganes – Real Madrid C 2-1 /1000 Zuschauer / Estadio Municipal de Butarque
20.01.2013, 19:00 Uhr: Atletico de Madrid – UD Levante 2-0 / 45000 Zuschauer / Estadio Vicente Calderon

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