“Langeweile hätte ich, wenn wir noch den Ergebnis-Fußball von Hitzfeld spielen würden.”

Zu unserem Auswärtsspiel beim Deutschen Rekordmeister haben wir uns mal nach langer Zeit wieder einen Gesprächspartner genommen und ihm ein paar Fragen gestellt. Heute gesellt sich Stefen Niemeier, bekannt auch als @FCBlogin. Stefen betreibt den Blog “Über die Linie” und widmet sich dort hauptsächlich dem Geschehen rund um den FC Bayern München.

Hallo Stefen, vielen Dank, dass Du Dir die Zeit genommen hast für uns. Der FC Bayern führt zur Zeit mit 9 Siegen aus 9 Spielen die Tabelle an, geht es überhaupt noch besser?

10 Siege in 10 Spielen wäre besser, denke ich. Im Ernst, wir hatten bis Mitte der Woche einen Lauf, der neben Klasse auch aus viel Glück bestand. Einige wichtige Spieler fehlen weiterhin, falls Robben fit ist, wäre mit ihm sicherlich eine weitere Steigerung möglich.

Die Vergangenheit hat oft gezeigt, wenn die Bayern in der CL verloren haben, musste am Wochenende drauf der nächste Gegner unter der Wut der Mannschaft leiden. Auf was muss sich der #effzeh am Samstag einstellen?

Normalerweise ja, aber diesmal ist die Empfindung anders. Die Niederlage bei Arsenal war nicht nur einem Pech im Abschluss geschuldet, sondern auch deutlich fehlender Präzision im Abschluss. Czech wurde eher angeschossen oder der Ball eher daneben gedroschen, da fehlte der letzte Hauch Konzentration. Und das war kein gutes Zeichen, dazu eine Schnöseligkeit beim Gegentor, wo unser Spieler praktisch reaktionslos zuguckt, wie ihm der zu kurze Pass abgenommen wird.

Aus solcher Schludrigkeit und dem anschließenden Schönreden des Spiels spricht eine eher gefährliche Hochnäsigkeit. Die Dauerberieselung in Sachen Unbesiegbarkeit und entschiedener Meisterschaft zeigt ihre Wirkung. Bedenklich. Also, reduzierte Konzentration und Einsatzwille sowie relative Alternativlosigkeit bei der Aufstellung eröffnen dem Effzeh ein paar Spielräume. Und wenn Stöger tatsächlich mit vier Stürmern aufläuft, wer weiß, was passiert?

Wer kann in dieser Saison überhaupt dem FC Bayern gefährlich werden? Wird die Liga in den kommenden Jahren nur noch aus der Frage bestehen, wer die Plätze 2-18 belegt?

Wir haben doch noch gar nichts gewonnen, also mal langsam. Aber ja, Wolfsburg hat sich mit dem Verkauf von de Bruyne freiwillig aus dem Kreis der näheren Favoriten verabschiedet. Die VW-Krise wird dem Verein nicht helfen. Je besser und schneller sich der der Börsenverein BVB auf Tuchel einstellt, desto eher wird er wieder ernsthafter Konkurrent. Aber dazu benötigen sie auch mal Transfers, die gleich im ersten Jahr einschlagen.

Schalke ist mit den vielen vielversprechenden Youngsters noch zu blau hinter den Ohren, zudem muss Breitenreiter in der Bundesliga erst mal zeigen, dass er mehr kann als Hinrunde.

Gladbach ist erstmal eine Wundertüte, derzeit unberechenbar.

Die große offene und spannende Frage der kommenden Jahre ist eher: Wird Rote Brause Leipzig das neue Hoffenheim, ohne die Fehler der ersten Jahre in der Bundesliga zu wiederholen? Deren Problem ist, dass sie zu sehr von der Laune des einen Großfinanziers abhängig sind. Wie auch Wolfsburg.

Kurz gesagt, ja, es gibt kein Abo. Würde das hier eine Saison nahe am Triple, könnte die Mannschaft bei Erfolg wie Mißerfolg auch auseinanderdriften, weil Schlüsselspieler einfach mal was Neues ausprobieren wollen. Zudem lockt das große englische Geld, wenn man alles zweimal gewonnen hat. Wären Allesgewinner nächstes Jahr heiß auf die Salatschale? Werden wir einen Trainer haben, der die Mannschaft noch erreicht? Alles viel zu weit weg, um ernsthaft drüber nachdenken zu können. Langfristig wichtig ist vor allem der Baubeginn unseres neuen Nachwuchsleistungszentrums.

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4:1 (2:1) für den FC Bayern hieß es am 23. Spieltag der Saison 14/15. Bedanken konnte man sich bei Manuel Neuer.

Ich kann mir das nicht vorstellen, da mein Verein wahrscheinlich niemals, nein, streiche das “wahrscheinlich”, in eine solche Situation kommen wird, aber wird einem als Fan nicht langweilig, wenn man national alles ohne Konkurrenz gewinnt?

Langeweile hätte ich, wenn wir noch den Ergebnis-Fußball von Hitzfeld spielen würden. Ich kann mich noch immer für die meisten Spieler begeistern, weil so viel auf dem Platz passiert, von den im Spiel wechselnden Formationen her, von den Ideen der Spielern, den Ausflügen von Neuer, den teils spektakulären Toren. Einfach der schönste Fußall, den ich je gesehen habe.

Natürlich gehe ich mit einer andere Anspannung ins Spiel, Ob es wohl einen Sieg geben wird? Aber das ist für mich etwas anderes als Spannung selbst.

Ich habe im eigenen Freundeskreis Leute, die beispielsweise keine Sportschau mehr gucken, weil eh klar sei, dass Bayern vorneweg marschiert und die eh nicht verlieren. Da ist das Interesse also deutlich geringer geworden. Aber solange die Zuschauer-Zahlen von Sportschau und Co. sowie die Abozahlen von Sky nicht signifikant sinken, ist das nur für ein kleinen Teil der Fangemeinde ein Problem.

Anders sieht das bei der Auslandsvermarktung der Liga aus, man hat in Vertragsgesprächen halt keine sonderlich starke Position, viel Geld rauszuholen, wenn man zwar Bayern und BVB gut verkaufen kann, aber der Rest der Liga kaum Interesse findet.

Kommen wir nun zum letzten verbleibenden Bayern Jäger der kommenden Jahre. Wie siehst du die Entwicklung des #effzeh seit dem Aufstieg 2013?

Köln hat das Potenzial, wieder ganz oben anzukommen, ja. Im Management geht es plötzlich seriös zu, die Mannschaft ist nach den Abgängen anders als Augsburg und Hoffenheim nicht geschwächt in die neue Saison gegangen. Das spricht für den Verein insgesamt. Und die Fans sind immer noch nicht am Durchdrehen. Erstaunlich.

Was ist für die Mannschaft aus deiner Sicht diese Saison drin?

Köln hat also das Zeug für Platz 6-9.

Kann der #effzeh am Wochenende ein Stolperstein für den FC Bayern werden?

Ja, der #effzeh hat im Spiel durchaus gute Chancen, wenn er sich ein wenig an Werder und Arsenal orientiert, die uns meist die Kontrolle überließen und sich auf gezielte Nadelstiche verlassen haben und dabei das Glück hatten, dass wir trotz guter Chancen nur wenig oder nicht trafen. Die wenigen Chancen musst Du halt eiskalt nutzen. Mal gucken, ob Eure Stürmer es dann besser machen als Ujah und Co.

Am vergangenen Spieltag wurde der #effzeh durch ein klares Handtor benachteiligt, sollte man im Fußball über die Einführung des Videobeweises nachdenken?

Es gibt gerade zwei recht gute Plädoyers pro und kontra Videobeweis von Frank Lußem (Kicker: https://twitter.com/fcblogin/status/656098037589262336) und Alex Feuerherdt (Collinas Erben https://twitter.com/fcblogin/status/656098607637098496). Wenn man die Erwartungshaltung etwas steuert, dass es auch dann immer einen Entscheidungsspielraum gibt und das dosiert einsetzt, führt der Videobeweis zu deutlich mehr Gerechtigkeit und Fairness. Ich bin grundsätzlich dafür, ja, auch wenn das letztes Wochenende dem #effzeh genutzt hätte.

 Vielen Dank für das Gespräch und auf ein spannendes Spiel. (Natürlich mit einem besseren Ausgang für den #effzeh).

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